Sonntag, 14. Februar 2016

Rezension // Alles was wir geben mussten

 


Titel: Alles was wir geben mussten
Autor: Ishiguro, Kazuo
Verlag: btb Verlag
Ausgabe: Taschenbuch, 349 Seuten



Inhalt

" Ein großer Sportplatz, freundliche Klassenzimmer und getrennte Schlafsäle für Jungen und Mädchen – auf den ersten Blick scheint Hailsham ein ganz gewöhnliches englisches Internat zu sein. Aber die Lehrer, so engagiert und freundlich sie auch sind, heißen hier Aufseher, und sie lassen die Kinder früh spüren, dass sie für eine besondere Zukunft ausersehen sind. Dieses Gefühl hält Kathy, Ruth und Tommy durch alle Stürme der Pubertät und Verwirrungen der Liebe zusammen – bis es an der Zeit ist, ihrer wahren Bestimmung zu folgen …"
Quelle: Amazon Produktseite
 


Meinung

Das Buch war ein Spontankauf, weil ich den Trailer der Verfilmung vor einigen Jahren gesehen hatte. Der Trailer hatte meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Aber wie es so im Leben ist, hatte es sich bis heute nicht ergeben. Weshalb ich spontan entschied, mir die Buchvorlage zu Gemüte zu führen. Und im Nachhinein gesehen, war das wohl die richtige Entscheidung für mich.

Ishiguro nimmt einen mit in die Perpektive von Kathy, einer Kollegiatin von Hailsham. Sie berichtet dem Leser von ihrem Alltag in dem Internat und später auch von ihrem weiterne Lebensweg. Und dabei ist man immer nah dran an der Freundschaft zwischen Kathy, Ruth und Tommy. Ruth, die extrovertierte Bestimmerin, Tommy der verschobene Aussenseiter und Kathy, die ruhige Mitläuferin.

Für mich lebte dieses Buch vor allem durch den charmanten Schreibstil. Der war zum einen flüssig und gefällig. Aber vor allem konnte ich mich nicht der Nostalgie verschließen, die mich immer wieder überkam, wenn ich ins Buch eintauchte. Denn Ishiguro adaptiert sehr gekonnt den Stil großer britischer Autorinnen der vergangenen Jahrhunderte. Dadurch betont er um vieles mehr den englischen Schauplatz, und ich fühlte mich nicht selten in eine BBC - Film - Kulisse versetzt. Traumhaft.    

Zu Beginn fühlt man sich tatsächlich wie in einem Internatsbuch, gut unterhalten aber auch beiläufig. Wenn da nicht immer wieder diese Andeutungen wären, die eine gewisse Spannung aufrecht erhalten. Denn natürlich weiß auch die Protagonistin nichts von der ganzen Wahrheit, die ihr Dasein und das ihrer Freunde bestimmt. Mit dem Erwachsenwerden flechtet der Autor immer mehr Ungereimtheiten ein, aber auch emotionale und menschliche Konflikte zwischen den Figuren, die nie überdramatisch sind, aber immer die ganze Welt von Kathy bewegen. Hier ist das Buch stark. Nicht, weil es Dramatik und Katastrophe aus jeder Zeile sprüht. Aber für jeden, der auf den Geschmack kommt, hält es emotionale Wechselbäder und tiefgreifende Gedanken bereit. Über allem schwebt die Frage nach einem Grund, nach dem warum. Warum spricht Kathy zu Beginn so über ihre Freunde aus Kindertagen? Und was hat es mit den Spendern auf sich? Welches Geheimnis birgt Hailsham?

Am Ende, soviel sei verraten, erhält der Leser eine Antwort. Ob sie ihm gefällt, bleibt ihm selbst überlassen. Ebenso, ob ihm auch der Ausgang des Ganzen gefällt. Mich ließ die letzte Seite mit einer so großen Ohnmächtigkeit zurück, dass ich es erstmal sacken lassen musste. Sie war sehr unangenehm, stimmte mich zwar traurig. Aber mehr noch zeigte sie eine erschreckende Allegorie zu menschlichen Handlungen, zu der Welt, wie sie heute ist. Der Originaltitel, der auf den Lieblingssong von Kathy anspielt,  'Never let me go' spiegelt die Vielschichtigkeit wieder, mit der Ishiguro hier das ganze Buch über spielt. Er gibt uns die Welt, gibt uns die Geschichte. Was jeder sieht und herausließt, überlässt er dem Leser selbst.


Fazit

'Alles was wir geben mussten' war ein Glücksgriff. Trotzdem die Geschichte kein hochspannender Pageturner ist, schafften es die Seiten einen ohne jeden Special Effekt zu fesseln. Das ist Geschmackssache und nicht für jeden Leser das Richtige. Wer sich aber darauf einlässt, wird mit einem Buch belohnt, dass einen in die Geschichte zieht und dass man sicher nicht mehr gehen lassen wird, auch wenn es längst vorbei ist. Wie Kathy, Ruth und Tommy wird es dann immer einen Platz im Herzen haben.


9 von 10 Musikkassetten ;-)














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