Titel: Ihr seid hier im Paradies!: Meine Kindheit in Nordkorea
Autor: Kang, Hyok; Grangereau, Philippe
Verlag: Goldman Original
Ausgabe: Taschenbuch, 192 Seiten
ISBN: 978-3442153466
Aufmachung
Das Rot des Einbandes ist mir bei diesem Buch sofort unter allen anderen in Auge gesprungen. Und dann war da dieser Nudeln essende Junge drauf. Jetzt kann man sagen, ist ja klar, dass das Mitleid zum Kauf verleitet. Aber das war es nicht. Der Titel war es, der mich zum Kauf bewogen hat. Und ein paar Seiten Skizzen des Erzählers aus seiner damaligen Kindheit in der Mitte des Buches. Wenn man es so sieht, ist das Cover sehr einach. Auf der Rückseite ist einfach nochmal das Cover abgebildet. Klar, dass Goldmann 2005 nicht soviel Aufwand betrieb, um so ein Nischenbuch zu promoten. Dennoch ist die Stabilität und Qualität des Papiers und Einbands auch nach 10 Jahren und meinem Durchlesen Top erhalten. Man kann hier also unbedenklich ein günstiges, gebrauchtes Büchlein kaufen, ohne Angst zu haben, dass es auseinanderfällt, wenn man es lesen will.
Inhalt
" Eine Kindheit in Nordkorea, erzählt von einem jungen Mann, der der Hölle der Diktatur unter Einsatz seines Lebens entkam. Die Flucht aus dem abgeschottetsten Staat der Welt, in dem chronischer Nahrungsmangel herrscht und in dem die hungernden Massen mit Parteipropaganda gefüttert werden, während die Funktionäre in Saus und Braus leben, gelingt nur wenigen. Hyok ist schmächtig und klein. Er hat den Terror überlebt. Jetzt legt er Zeugnis ab."
Quelle: Amazon Produktseite
Meinung
Ich habe es ja schon auf Lovelybooks kurz in Worte zu fassen
versucht. „Ein ROTES Büchlein von dem ich nicht glauben will, dass die erzählte
Geschichte erst 15 Jahre her ist. Unglaublich. Auch ohne großes Kino.“ Aber es
trifft es nicht ganz.
‚Ihr seid hier im Paradies!‘ ist ein Buch, was man gelesen
haben muss, um zu verstehen, worum es geht. Das Buch ist kein fiktionaler Text,
sondern beruht auf den Schilderungen des Nordkoreaners Hyok Kang, die von dem
Co-Autor aufgeschrieben wurden. Daraus entstand dieses Buch.
Lesetechnisch gesehen ist das Buch eine Aneinanderreihung
von Kapiteln, die nicht lückenlos, sondern fragmenthaft Hyoks Kindheit
beschreiben. Wie ein Junge in der kommunistischen Diktatur Nordkorea aufwächst.
Daraus ergeben sich keine aufregenden Spannungsbögen. Alles was passiert wird
fast schon nüchtern erzählt. Hier und da überkam mich das Gefühl, dass eben aus
den Erinnerungen von Hyok einiges subjektiver beschrieben wird, als es ist.
Dass hier und da etwas fiktives dazu gemischt ist. Bei all den
Unvorstellbarkeiten der Gleichschaltung, die in diesem Buch beschrieben werden,
wirken sie dann aber doch nicht mehr so fiktiv.
Bei diesem Buch geht es letzten Endes nicht um Wahrheit oder
nicht. Die Sichtweise – und die hat mich daran tief berührt – bleibt bei der
eines Kindes, dass es nicht anders kennt. In dem Buch findet sich keine Wertung
aus der Sicht der westlichen Welt – wenn man unter ihr die Welt der
Marktwirtschaft versteht. So erlebt man einen Menschen, der viele Dinge für uns
unvorstellbar gleichgültig aufnimmt. Man wird mit ihm erwachsen. Mit seiner
Entwicklung vom Schuljungen zu einem jungen Mann, der die Zeit des Hungers in
Nordkorea beschreibt und hinterfragt. Aber bis zu seiner Flucht zweifelt er
nicht an dem kommunistischen System, in dessen Zentrum der Große Führer Kim Il Sung und dessen der Geliebte Führer Kim Jong Il stehen.
Das letzte Drittel des Buches wird natürlich spannender,
weil Hyoks Flucht und die Umstände, wie es dazu kam und wie sie verläuft
beschrieben werden. Weniger spannend, aber detailliert. Das Gefühl, wie
gefährlich diese Flucht aus der Diktatur ist, bewegt. Aber noch mehr bewegt
etwas thematisch hochaktuelles, die Flüchtlingsthematik. Denn am Ende ist Hyok
ein Flüchtling, der es schafft, sich nach Südkorea durchzuschlagen. Die letzten
Kapitel klingen sehr nachdenklich an.
„Wie könnte ich mich aber nicht gedemütigt fühlen in diesem modernen und reichen Südkorea, das uns zwar aufgenommen hat, uns jedoch als minderwertige Wesen betrachtet? Was auch immer ich früher erlebt habe, Gefahren, Verblendung, Verdummung, permanenter Terror, Hunger, Krankheit und Verfolgung, diese Lebensbruchstücke gehören zu mir und werden für immer in mich eingraviert bleiben. Ich bin davor geflohen, aber ich kann sie nicht verleugnen.“S. 184
Fazit
Es gibt so wenige Quellen aus dem totalitär zensierten Nordkorea, so dass diese Schilderung dieses Jungen sehr aufschlussreich den diktatorischen Kommunismus der Kim's beschreibt. Ein Buch, aus dem mich auch die ein oder andere Anekdote an meine Kindheit in der DDR erinnerte. Ein Buch, mit soviel Kraft in allem, was nicht darin geschrieben steht. Ein starkes Buch über die Sehnsucht nach Freiheit, ohne es zu wissen. "Ihr seid hier im Paradies!" ist ein kleiner Schatz in kommunistischem Rot gekleidet. Für jeden, der sich über den Rand seines Tellers hinauslesen will.
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